“Wir fallen voll aus dem typischen YouTube-Rahmen” - Ben Salomo von Rap am Mittwoch im Interview
Fast jeder, der sich mit Rap beschäftigt, kennt inzwischen das Battleformat “Rap am Mittwoch”. Die Veranstaltercrew reist von Stadt zu Stadt, um den Zuschauern ihr Unterhaltungsprogramm in einer mitreißenden Liveshow zu präsentieren und überträgt diese auch auf ihrem YouTube-Kanal. Wir sprachen mit dem Moderator Ben Salomo beim Tourstopp im Kölner Gloria Theater.
Broadmark: Du hast “Rap am Mittwoch” schon früher gemacht, dann gab es eine längere Pause und im Jahr 2010 hast du wieder neu mit dem Projekt angefangen. Gibt es etwas aus der früheren Zeit, was du heute vermisst oder läuft heute alles besser als damals?
Ben: Das kann man ja gar nicht so gut vergleichen, es sind zwei völlig verschiedene Dinge. Der Anfang von Rap am Mittwoch war noch sehr anders, inzwischen haben wir das Format ja zu einer richtigen Show aufgebaut. Was an Rap am Mittwoch seit 1999 gleich geblieben ist, ist einfach die Tatsache, dass es sich nicht nur um eine Show handelt. Es werden auch verschiedene Werte bei der Veranstaltung vermittelt. Was heute völlig anders ist, ist der Andrang.
Früher waren bei den Battles circa fünfzig Leute, wenn es schon ein paar mehr waren, platzte der Laden aus allen Nähten. Jetzt sind wir hier im Gloria-Theater und zeigen unsere Show vor 800 bis 900 Leuten, das ist natürlich etwas völlig anderes. So eine komplett freie OpenMic-Cypher, bei der es ganz ohne irgendwelche Regeln vonstatten geht, bei der nur fünf Rapper im Kreis stehen und dann kommt mal einer dazu und ein anderer geht wieder, das kann man kaum mit einer Unterhaltungsshow vergleichen, so wie es heute bei uns ist.
Ich hätte mir damals schon gewünscht, dass die Show so aussieht, wie wir sie jetzt weiterentwickelt haben. Es ist ja auch der Wunsch jedes MCs, der seine Musik nicht nur hobbymäßig betreiben möchte, sich vor einem größeren Publikum zu präsentieren. Deshalb wollte ich auch schon damals aus der Kelleratmosphäre rauskommen und bin halt nun froh, dass es sich so entwickelt hat und wir heute hier im Gloria-Theater spielen.
Broadmark: Gab es denn damals keine Konkurrenz beziehungsweise keine anderen Battles neben Rap am Mittwoch?
Ben: Klar, hier und da gab es schon das eine oder andere Freestyle-Battle, aber Nichts, was regelmäßig stattfand. Das war eher wie so ein Zirkus, der mal in der Stadt campiert und dann wieder weg ist. “Rap am Mittwoch” ist nun inzwischen seit fünf Jahren immer präsent, man weiß, wo man hinfahren muss und uns finden kann, nun können wir sogar zu den Leuten in die verschiedenen Gebiete fahren. Rap am Mittwoch entstand als eine Art Übungsraum für MCs, heute hoffen wir, dass viele kleine Cypher entstehen und die Rapper dann, wenn sie schon etwas trainiert sind, zu “Rap am Mittwoch” kommen, um sich dort etwas mehr Reichweite zu verschaffen, wie unser Slogan das auch verspricht.
Broadmark: Du spricht in vielen Interviews über Respekt und verdeutlichst oft, wie wichtig dir das Thema in der Rapszene ist. Ist Respekt etwas, was du bei anderen Arten von Rapbattles vermisst, wie zum Beispiel bei Videobattles wie Juliens Blog sie veranstaltet?
Ben: Juliens Blog ist ja, wie du schon sagst, nur ein Videobattle, da gibt es ja keine Moderation, die Akteure stehen sich nicht gegenüber und alles passiert eigentlich nur auf der “Talk behind the back”-Ebene. Die Rapper wissen gar nicht, was sie miteinander zu tun haben, die recherchieren dann übereinander und basteln dann ihre Tracks - bei uns sagen sich die Leute die Punchlines gegenseitig ins Gesicht. Die Protagonisten sind sehr professionell und haben die ganze Battlegeschichte natürlich verstanden, für Außenstehende, die sich das Battle anschauen, ist es vielleicht nicht immer gleich verständlich. Da ist es dann wichtig denen zu zeigen, dass man sich gegenseitig respektiert untereinander.
Sobald der Beat läuft, sobald sich die beiden Rapper auf der Bühne gegenüberstehen, befinden sie sich in ihrem eigenen Oktagon. Sobald der Beat ausgeht und das Battle vorbei ist, sind wir auch wieder normale Bürger, geben uns die Hand, umarmen einander, geben uns Respekt – und das zeigt dem Außenstehenden, dass das eigentlich alles nicht so ernst zu nehmen ist, wie es ohne so ein Ritual aussehen würde. Ich persönlich habe nämlich in Berlin die Erfahrung gemacht, dass es, wenn es Rapbattle gab, diese eigentlich zu 100% immer nur ein Vorspiel für eine Massenschlägerei waren. Man hat da immer vergessen zu zeigen, dass die Cypher, das Battle an sich, wie eine Art Theaterstück ist. Wie beim Eishockey, da hauen sie sich auch während des Spiels gegenseitig aufs Maul und nachher tauschen sie die Trikots und lächeln zusammen in die Kamera.
Respekt ist eine Sache die ich, egal wo ich bei Rapbattles war, immer vermisst habe. Bei Mixery Raw Deluxe, bei Feuer über Deutschland und vielen anderen Formaten habe ich immer nur den Entertainmentfaktor gesehen, der da transportiert wurde. Die Werte wurden aber nie transportiert, deshalb gingen auch sehr viele Beefs aus diesen Battles hervor. Viele, die bei Feuer über Deutschland gerappt haben, sind dann nachher auch im echten Leben nicht mehr miteinander klargekommen. Und das ist bei uns nicht der Fall, im Gegenteil, meistens ist es so, dass die Rapper danach kooperieren und etwas zusammen machen.
Broadmark: YouTube hat sicherlich zur Verbreitung des Formats beigetragen. Nutzt ihr die Plattform nur als Promotionsmöglichkeit für eure Videos oder fühlt ihr euch der inzwischen herangewachsenen YouTube-Szene zugehörig?
Ben: Als ich die Idee, die Videos bei YouTube hochzuladen, hatte, hatte ich noch gar keinen Schimmer davon, dass YouTube eine Szene hat und eine Community. Ich habe YouTube nur als eine Plattform gesehen, wo man das, was wir machen, archivieren kann. Ich hatte weder Plan von Abonnenten oder Netzwerken, ich wusste nicht mal, dass man damit Geld verdienen kann zum damaligen Zeitpunkt. Ich dachte nur, wenn der Künstler sich dort selbst sehen kann, dann sieht er gleich seine Defizite und kann dies beim nächsten Mal besser machen. Wenn er das dann noch seiner Mutter, seinem Bruder und seinem besten Kumpel zeigt und diese verbreiten es weiter, dann hat er natürlich auch schon eine etwas größere Reichweite.
Ich habe mir später selbst amerikanische Rapbattles angeschaut und dann bemerkt, dass YouTube viel mehr ist, als nur eine Möglichkeit zur Archivierung des Materials und so entstand dann so langsam die Idee “Rap am Mittwoch” zu einer Art „Fernsehformat“ weiterzuentwickeln, so wie man es heute auf unserem Kanal kennt. Wir fallen aber auch voll aus dem typischen YouTube-Rahmen. Wir sind keine Vloger, keine Leute die Nachrichten sprechen oder Comedy machen oder sowas. Wir zeichnen einfach nur unsere Liveshow auf. Dennoch habe ich nach und nach selbst einige Dinge auf YouTube gefunden, die mir sehr gut gefallen.
Broadmark: Immer mehr YouTuber machen Musik und veröffentlichen sogar ganze Alben. Dort bedient sich ein Großteil der Musiker auch überwiegend dem HipHop, neuere Rapartists wie 3Plusss oder Weekend sind ebenfalls viel auf der Plattform unterwegs. Warum glaubst du, dass gerade HipHop so gut auf YouTube funktioniert?
Ben: Ich denke es liegt daran, dass HipHop relativ einfach umzusetzen ist. Man benötigt einfach nur ein Mikrofon, einen Beat und muss dann noch einigermaßen den Takt treffen. Wenn man den Song dann noch mit einem Entertainment-Video verpackt, dann hat man schon mal eine Grundunterhaltung. Heutzutage ist die komplette Rap- und HipHop-Welt ja sowieso riesig im Vergleich zu meiner Kindheit, in der man zu seinen Eltern gegangen ist und gesagt hat, dass man Rapmusik machen möchte und diese erst einmal gefragt haben: “Rapmusik? Was ist das?” Heute weiß nach Filmen wie 8 Mile oder nach Eminem jeder, was Rapmusik ist, und es ist ein ganz klarer Bestandteil der urbanen Kultur. Genauso wie viele Leute Fußball spielen, kann Rap auch bei vielen Menschen im Alltag präsent sein und diese begeistern.
Broadmark: Was sind so die nächsten Städte, die ihr mit eurer Liveshow besuchen werdet?
Ben: Hamburg kommt in einem Monat, am 20. Mai. Danach haben wir noch eine Show in Berlin, das ist die Awardshow – dort erhalten die Leute, die die besten Leistungen in dieser Staffel gezeigt haben Preise und danach geht es erst einmal zwei Monate in die Sommerpause. In die Saison 6 starten wir dann wieder im September - der erste Termin ist dann München. Im Oktober geht es nach Stuttgart, im November sind wir wieder in Köln und im Dezember in Frankfurt. So weit haben wir jetzt erst einmal geplant, in 2016 kommen dann wieder neue Termine.
Broadmark: Und ihr seid immer mit eurer kompletten Crew unterwegs?
Ben: Wenn wir in die Außentermine fahren, sind wir ein elf Mann starkes Team, angefangen beim Merchandiser, über unsere Kamerajungs, über die Sound Engineer, über die Produktionsassistenz und Produktionsleitung, die DJs und viele mehr. In Berlin haben wir noch ein Sicherheitsteam und noch ein paar weitere Assistenten, dort sind wir dann über 20 Leute. Das Kernteam besteht allerdings aus elf Menschen – es ist sehr, sehr anstrengend, aber nötig, denn die verschiedensten Regionen haben schon lange Bock auf Rap am Mittwoch – und dann wollen wir ihnen die Show natürlich nicht vorenthalten.
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